Was ist Stress?
Durch den Wandel der letzten Jahrzehnte hat der Begriff Stress immer mehr an Wichtigkeit gewonnen, wodurch sich dieser dauerhaft neu erfindet. So heißt es aus psychologischer Sicht, dass Stress dann entsteht, wenn die eigenen Ressourcen zur Stressbewältigung einer unangenehmen Situation nicht ausreichen. Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus gilt Stress jedoch als solcher neutral zu betrachten, da er sich sowohl positiv als auch negativ auf das Individuum auswirken kann. In der heutigen Zeit verwenden Menschen diese Begrifflichkeit hauptsächlich für belastende Situationen, die häufig in Verbindung gebracht werden, wie Druck, Angst, Hektik oder Ärger. Auch wenn auf dem ersten Blick das Wort als einfach verständlich scheint, muss berücksichtig werden, dass Stress nicht gleich Stress ist.
- Stressentstehung und Bestandteile des Stressgeschehens
Wie bereits erwähnt, kann Stress von verschiedenen Seiten betrachtet werden. Zieht man sich einen der bekanntesten Gesichter in der Psychotherapie bei, Prof. Dr. Kaluza, kommt man zu der Erkenntnis, dass der Ursprung einer Stressentstehung im Gehirn zu finden ist. Hierbei handelt es sich um ein komplexes Zusammenspiel zwischen dem zentralen- und vegetativen Nervensystem sowie dem Hormonsystem. Ab dem Eintritt eines Stressgeschehens gilt es die mitwirkenden Bestandteile, die Stressoren, die persönlichen Stressverstärker und der darauffolgenden Stressreaktionen genauer zu betrachten. Unter Stressoren versteht man äußere Bedingungen und Situationen, die die Funktion eines Systems gefährden, mit dem Ergebnis einer Stressreaktion. Dementsprechend ist ein Stressor für die Entstehung einer Stressreaktion verantwortlich. Persönliche Stressverstärker beruhen auf individuellen Einstellungen, Motiven und Bewertungen, die wesentlich dazu beitragen, ob eine Stressreaktion ausgelöst oder gar verstärkt wird. Hierbei gilt es noch essentielle Bereiche im Gehirn zu erwähnen, wie dem Hirnstamm, dem limbischen System und der Großhirnrinde. Der Hirnstamm geht grundsätzlichen Aufgaben nach, wie den automatisierten Lebensfunktionen und schließt zudem an das Rückenmark an. Dadurch sind Gehirn und Rückenmark miteinander verbunden, sodass der Informationsfluss bezüglich der Stressreaktion stattfinden kann. Das limbische System ist unter anderen für die Verarbeitung von Emotionen und Erinnerungen verantwortlich, wo sich auch der Hippocampus und die Amygdala wiederfinden. Der Hippocampus entscheidet darüber, ob die von außen einwirkenden Signale als relevant oder überflüssig eingestuft werden und die Amygdala daraufhin, ob eine Angst- oder Furchtverarbeitung durchgeführt werden muss. Als letzter Bestandteil ist die Großhirnrinde zu erwähnen. Ihre Aufgabe besteht darin die Signale zu einem „inneren Bild“ zusammenzusetzen und schlussendlich eine Bewertung der Situation vorzunehmen. Diese drei Bereiche wirken als funktionelle Einheit, sind miteinander verflochten, voneinander abhängig und entscheiden darüber, ob die von außen wirkenden Signalen zu einer Stressentstehung führen. Kommt es dazu, spricht man von einer Stressreaktion, welche sich auf drei verschiedenen Ebenen bemerkbar machen.
- Stressreaktion auf diversen Ebenen
- Körperliche Ebene
Im Allgemeinen spricht man von einer Körperaktivierung und Mobilisierung der eigenen Energie. Der eigene Körper ist somit meist durchgehend oder über einen längeren Zeitraum unter Spannung, was zu unterschiedlichen Reaktionen des Körpers führen kann. Während sich bei einer Person die Stressreaktion auf das Verdauungssystem auswirkt, verspürt ein anderer eine Veränderung des Herz-Kreislauf-Systems in Form eines schnelleren Herzschlages oder hoher Muskelspannungen.
- Behaviorale Ebene
Hierunter versteht man ein „offenes“ Verhalten, was mit dem bloßen Auge für Außenstehende sichtbar ist. Hierunter fällt beispielsweise ein hastiges oder ungeduldiges Verhalten.
- Kognitiv-emotionale Ebene
Dies sind intrapsychische Vorgänge welche in Form von Gedanken und Gefühlen bei der betroffenen Person in einer belastenden Situation ausgelöst werden. Häufig zeigt sich dies mit dem Gefühl der inneren Unruhe, der Nervosität oder der Gefühle und Gedanken bei Unzufriedenheit.
Alle Ebenen sind miteinander verbunden und können sich sowohl positiv als auch negativ beeinflussen.
- Gesundheitliche Folgen von Stress
Zu Beginn ist es von äußerster Wichtigkeit festzuhalten, dass eine körperliche Aktivierung durch einen Stressor grundsätzlich keine Gefahr für die Gesundheit darstellt. Stress ist eine ganz natürliche Reaktion des Menschen, um alle Anforderungen des alltäglichen Lebens mit Erfolg zu bewältigen. Die Kunst liegt viel eher darin einen Ausgleich von Sympathikus und Parasympathikus zu schaffen, sprich die Balance zwischen Aktivierung und Entspannung. Ebenso gilt es Körper und Geist im Gleichgewicht zu halten. Dies gelingt unserer Gesellschaft nur immer weniger. Personen setzen sich immer häufiger individuellen körperlichen Stressreaktionen aus, obwohl keine Gefahr besteht, sodass es immer häufiger einer überschwänglichen Freisetzung der eigenen Energie kommt und diese nicht genug abgebaut werden kann. Betroffene erkennen den Zusammenhang zwischen ihrer körperlichen und psychischen Verfassung sowie ihrer Dauerbelastung nicht mehr, sodass beispielsweise Magen-Darm-Beschwerden zunächst als eine Unverträglichkeit oder einer schlechten Mahlzeit zugeschrieben werden. Ergreift man nicht rechtzeitig gesundheitsfördernde Maßnahmen, steigt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Herzfarkten. Besondere Aufmerksamkeit sollte vor allem dem chronischem Stresspensum gegeben werden. Bereits jeder Dritte leidet aktuell unter „Dauerstress“. Gesundheitliche Folgen äußern sich hierbei über den Stoffwechsel, das Immun- und kardiovaskuläre System bis hin zur Beeinträchtigung der Lern-, Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsprozesse und der Schlafregulierung. Des Weiteren kommt es zu dauerhaften Anspannungs- und Aktivierungszustände des Körpers, welche zu einer Beeinträchtigung des Rückkopplungsmechanismuses führen kann. Durch die dauerhaften Anspannungsprozesse im Körper können vor allem die Blutgefäße an Elastizität verlieren, sich schlechter weiten und bewirken einen chronisch erhöhten Blutdruck, welcher wiederum ein wichtiger Risikofaktor für die Entstehung von Herz-Kreislauferkrankungen oder Typ-2-Diabetes darstellt.
- Stressbewältigungsstrategien
Glücklicherweise hat sich die Angebotsbreite von allgemeinen Stressbewältigungsstrategien maßgeblich vergrößert, was die Wahrscheinlichkeit einer individuellen Stressbewältigung erhöht. Das eigene Stressmanagement spielt hierbei eine essentielle Rolle, denn es zielt auf einen gesunden Umgang von den selbstgestellten und den von außen gesetzten Anforderungen ab. Um dies erfolgreich Hand zu haben, gilt es die drei Hauptwege, das instrumentelle-, kognitive und palliativ-regenerative Stressmanagement zu beleuchten. Das instrumentelle Stressmanagement fokussiert sich hierbei auf das Vorbeugen und Reduzieren von Stressoren. Auf der kognitiven Ebene wird der Ansatz einer Veränderung eigener Merkmale in Form von persönlichen Motiven, Bewertungen und Einstellungen verfolgt. Die Rede ist hierbei von persönlichen Stressverstärkern. Adäquate Ansatzpunkte sind unter anderen eine kritische Überprüfung der eigenen Leistungsgrenzen oder die eigenen perfektionistischen Ansprüche an die eigene Leistung zu minimieren. Falls diese Wege noch zu keiner Stressbewältigung führen kommt das palliativ-regenerative Stressmanagement in Frage. Ihre Aufgabe ist es der entstehenden Stressreaktion entgegenzuwirken. Sinnvolle Stressbewältigungsstrategien wären z. B. das Praktizieren von Entspannungsübungen oder regelmäßige Bewegung. Insbesondere multimodale Trainingsprogramme begünstigen hierbei das individuelle Stressgeschehen, sodass es z.B. zu einer Verbesserung des Herz-Kreislauf-Systems, des Schlafs oder des allgemeinen Wohlbefindens kommt. Weitere wissenschaftliche Untersuchungen kommen darüber hinaus zu der Erkenntnis, dass körperliche Aktivität eine der effektivsten Stressbewältigungsstrategien darstellt.
- Zusammenfassung
Stress ist in der heutigen Zeit ein stetig wachsender Faktor, zieht sich durch alle Lebenswelten des Individuums und gilt es immer aus allen Blickwinkeln zu betrachten. Wie bereits erwähnt stellt die körperliche Aktivierung durch einen Stressor grundsätzlich keine Gefahr dar, sondern ist eine natürliche Reaktion des Körpers, um alle Anforderungen erfolgreich meistern zu können. Die Kunst ist es vor allem das eigene Stresspensum in der Balance zu halten, die eigenen Stressoren, Stressverstärker und die daraus folgenden Stressreaktionen wahrzunehmen, zu kennen und die für sich selbst funktionierende Stressbewältigungsstrategien zu entwickeln. Präventive Maßnahmen gelten hierbei als besonders wichtig, wie das Treiben von Sport oder das Praktizieren von Entspannungstechniken.
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